Denken ohne Gehirn . Zu beweisen gilt , die überphysikalische Natur des Menschen
Joseph Banks Rhine
Wir brauchen unser Gehirn gar nicht
Während einer Konferenz von Kinderärzten im Jahr 1980 sorgte der britische Neurologe Dr. John Lorber mit einer spektakulären Hypothese für große Aufregung. Sie lautete: „Wir brauchen unser Gehirn gar nicht!"
Das war kein provokanter Gag. Dr. Lorber wollte weder um jeden Preis auffallen, noch war er von allen guten Geistern verlassen. Die Frage nach der Notwendigkeit unseres organischen Denkapparates, mit der er sein Referat begann, war wohlbegründet. Sie brachte lediglich eine Reihe von seltsamen Ereignissen auf den Punkt, auf die der Neurologe schon Mitte der sechziger Jahre gestoßen war.
Damals hatte er zwei Kleinkinder mit Hydrozephalus behandelt, eine Krankheit, die gemeinhin als „Wasserkopf bekannt ist Aufgrund dieser Abnormität verfugte keines der beiden Kinder über eine Großhirnrinde. Trotz der enormen Schädigung (schließlich ist, so meint die Schulmedizin, die Großhirnrinde der Sitz des Bewußtseins) schien die geistige Entwicklung der Kleinen nicht beeinträchtigt zu sein. Eines der Kinder starb im Alter von drei Monaten. Das andere war mit einem Jahr immer noch geistig gesund und völlig normal, obwohl Untersuchungen eindeutig die völlige Absenz von Gehirnsubstanz bewiesen. Dr. Lorber veröffentlichte einen Bericht über diese rätselhafte Anomalie in der Zeitschrift Developmental Medicine and Child Neurology. Wie das beim Auftreten unliebsamer Unerklärlichkeiten oft geschieht, war der Widerhall auf seinen Artikel gleich Null.
Das Rätsel ließ den Briten jedoch nicht los. Er forschte in der Richtung weiter und hielt sein spezielles Interesse in keiner Weise geheim. So kam es, daß einer seiner Medizinerkollegen ihm einen jungen Mann schickte, der an der Universität Sheffield studierte. Der Kopf des Betroffenen war größer als normal, aber damit hatte es sich auch schon. Seine Noten in Mathematik waren die besten seit langem, und sein mehrfach gemessener Intelligenzquotient von einhundertsechsundzwanzig hätte ihn zur Aufnahme in die diversen Klubs von „Superintelligenten" qualifiziert.
Das Seltsame war nur, daß der Student diese Leistungen ohne feststellbares Gehirn vollbrachte. Er besaß keines, wie Dr. Lorbers Untersuchungen unwiderlegbar erbrachten. Alles, was sich unter der Schädeldecke des jungen Mannes feststellen ließ, war eine knapp einen Millimeter dicke Schicht von Gehirnzellen. Der Rest war Flüssigkeit. Hätte jemand den Betreffenden kurz nach der Geburt in einen dunklen Raum gebracht und einen Lichtstrahl auf seinen Schädel gerichtet, wäre das Licht aufgrund der im Säuglingsalter zarten Knochenstruktur mühelos durch den Kopf gedrungen. Die überraschende Tatsache, daß er gehirnlos durchs Leben geht, erschütterte den jungen Mann nicht sonderlich. Er lebte vor dieser Eröffnung völlig normal und nachher ebenso.
In der Zwischenzeit ist Dr. Lorber im Zuge seiner systematischen Suche auf zahlreiche Parallelfälle gestoßen. Er führte im Kinderkrankenhaus von Sheffield mehr als sechshundert Messungen an Hydrozephaliden durch. Dabei ergab sich ein erstaunliches Bild: Bei etwa zehn Prozent der Untersuchten waren fünfundneunzig Prozent des Schädels mit Flüssigkeit gefüllt. Sie besaßen per definitionem kein funktionstaugliches Gehirn. Dessenungeachtet war die Hälfte dieser zehn Prozent geistig voll tüchtig und wies sogar einen überdurchschnittlichen IQ von mehr als hundert auf.
Dr. Lorbers umfassende Studie ist nicht die erste ihrer Art. Dr. Wilder Penfield, Direktor des Neurologischen Institutes der McGill-Universität in Montreal und einer der führenden Gehirnchirurgen der Welt, hat sich der Erforschung dieses irritierenden Rätsels jahrzehntelang verschrieben. Auslösendes Moment dafür war eine Arbeit von Dr. Walter Dandy aus dem Jahr 1922 über Menschen, die mit bescheidensten Überresten ihres Gehirns ein absolut normales Dasein führten.
Dr. Penfield machte eine Reihe von Experimenten, in denen er das Gehirn mittels Strom und anderer Methoden teilweise gezielt ausschaltete. In über fünfhundert Versuchen konnte er den Schleier des Geheimnisses zwar nicht lüften, wohl aber die Existenz des Phänomens zweifelsfrei belegen.
Im Mai 1950 kommentierte der berühmte New Yorker Neuropsychiater Dr. Russel G. MacRobert die monumentale Penfield-Studie wie auch das Mysterium selbst im Magazin Tomorrow so: „Der Chirurg, der große Hirnteile wegoperiert, zerstört damit nicht nur Gewebe, sondern unvermeidlicherweise auch unsere gegenwärtige Vorstellung von Geist und Bewußtsein."
All das konnte irgendwann einmal nicht mehr ignoriert werden und mußte zu diversen Erklärungsversuchen führen. Manche Fachleute streiten die Ergebnisse mit dem Hinweis auf die Schwierigkeiten bei Gehirnmessungen schlichtweg ab. Andere sprechen philosophisch vom Überflußprinzip der Natur, das sich in Gehirnstrukturen besonders manifestieren könne. Letzterer Gruppe hielt Anatomieprofessor Patrick Wall von der Londoner Univer sität entgegen: „Von einem Überfluß im Gehirnbereich zu sprechen ist eine Ausflucht, um nicht zugeben zu müssen, daß man etwas nicht verstehen kann." Einen ähnlichen Standpunkt vertrat auch der Neurologe Norman Geschwind vom Beth-Israel-Hospital in Boston mit den Worten: „Natürlich weist das Gehirn eine bemerkenswerte Kapazität bei der Neuverteilung von Fähigkeiten nach einem Trauma auf, aber irgendein Defizit bleibt gewöhnlich sogar bei scheinbar völliger Wiederherstellung. Tests beweisen das immer wieder." Zertrümmert, zerstört, entfernt, und doch voll funktionsfähig
Dieser Erfahrung zuwider läuft die Tatsache, daß viele Menschen radikalste Eingriffe (Durchtrennung der Hirnhemisphären, Entfernung einer Hirnhälfte etc.) völlig unbeschadet überstehen, während andere durch einen Schlag auf den Kopf schwere Schäden davontragen. Nimmt man die Medizingeschichte gründlich unter die Lupe, so strotzt sie von solchen Absonderlichkeiten. Berichte darüber reichen weit in die Vergangenheit zurück.
Einer der ersten ausführlich dokumentierten findet sich in dem berühmten Standardwerk von Gould und Pyte: Anomalies and Curiosities of Medicine. Er betrifft den Fall des fünfundzwanzigjährigen Vorarbeiters bei einem Bautrupp der US-Eisenbahn, Phineas Gage. Im September 1847 wollte der junge Mann eine Sprengung vornehmen. Dabei stopfte er Schwarzpulver mittels einer Stange mit einem Durchmesser von etwa vier Zentimetern und einem Gewicht von fast sieben Kilogramm in ein Loch. Durch eine Panne kam es verfrüht zur Explosion, wobei die schwere Stange durch die Luft geschleudert wurde. Sie bohrte sich tief in Gages Schädel. Kollegen trugen das Unfallopfer in eine Arztpraxis. Dort wurde die Stange in aller Eile entfernt, zusammen mit Teilen der Schädelknochen und größeren Partien Gehirngewebe. Die beiden Ärzte, die Gage versorgten, hätten keinen Penny auf sein Überleben gewettet, jedoch jede Summe darauf gesetzt, daß er, wenn er davonkam, ohne Bewußtsein dahindämmern würde. Sie hätten beide Wetten verloren, denn der Fünfundzwanzigjährige überlebte nicht nur, sondern er erholte sich bis auf Verhaltensstörungen, obgleich ein Tunnel durch seinen Kopf zurückblieb. Dieser hatte mehr als acht Zentimeter Durchmesser und verlief, so die Fachleute „vom linken Großhirnvorderlappen parallel zur Pfeilnaht durch den Schädel". Ein Fall mit mehreren Unmöglichkeiten.
Nicht weniger dramatisch erging es einer Textilarbeiterin 1879 an ihrem Arbeitsplatz. Eine riesige Schraube flog aus einer Maschine und drang tief in den Kopf der Unglücklichen. Dabei wurden große Teile ihres Gehirns unwiederbringlich zerstört. Weitere Gehirnmasse mußte geopfert werden, als Chirurgen die Schraube herausoperierten. Entgegen allen Erwartungen trug die
junge Frau keinerlei Folgeschäden davon. Sie führte noch zweiundvierzig Jahre lang ein Leben wie jeder andere und hatte nicht einmal Kopfschmerzen. In der Zeitschrift Medical Press of Western New York aus dem Jahr 1888 findet sich die Story eines Matrosen, der ein Viertel seines Schädels einbüßte, als er zwischen dem Balken einer Brücke und dem Aufbau des Schiffes, auf dem er arbeitete, eingeklemmt wurde. Der scharfkantige Pfeiler trennte dem Mann einen Teil seiner Schädeldecke glatt ab. Die behandelnden Mediziner stellten den Verlust einer großen Menge Blutes und eines beträchtlichen Teils des Gehirngewebes fest. Das hinderte den Betreffenden jedoch nicht, ein normales Verhalten an den Tag zu legen, nachdem er wieder bei Bewußtsein war. Er wollte sich sogar anziehen und seinen Dienst sofort wiederaufnehmen.
Aus den ersten Jahren unseres Jahrhunderts stammen die Aufzeichnungen von Dr. Nicholas Ortiz über eine Studie, die der bolivianische Mediziner Dr. Augustin Itturicha der Anthropologischen Gesellschaft in Sucre, Bolivien, vorlegte. Es handelt sich dabei um die Fallgeschichten von Personen, die bis zum Tod im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen waren. Bei der Obduktion stellte sich jedoch zur grenzenlosen Verblüffung der Chirurgen heraus, daß das Gehirn der Betreffenden schon viele Jahre durch Abszesse, Tumore oder andere Ursachen gänzlich zerstört war. Seltsamerweise hatten die Betreffenden bis zu ihrer Todesstunde nichts davon bemerkt. Besonders beeindruckt hatte Dr. Itturicha der Fall eines Jungen, der immer über starke Kopfschmerzen geklagt hatte und mit vierzehn Jahren starb. Die Autopsie ergab, daß sich die Hirnmasse des Knaben bereits vor langer Zeit vollständig von der Schädelinnenseite gelöst hatte - ein Vorgang, dessen Auswirkungen gewöhnlich mit denen einer Enthauptung identisch sind. Der Junge hatte jedoch all die Zeit keinerlei Beeinträchtigung an den Tag gelegt. Siebenundzwanzig Tage lang unterschied sich ein Baby, das 1935 im New Yorker St. Vincent's Hospital zur Welt kam, durch nichts von den anderen Neugeborenen. Es trank, schrie, weinte, versuchte nach Gegenständen zu greifen, reagierte auf Umwelteinflüsse und bewegte sich absolut normal. Dann starb es. Bei der Obduktion stellte sich heraus, daß das Baby gänzlich ohne Gehirn geboren worden war.
Die Ärzte Dr. Jan W. Bruell und Dr. George W. Albee berichteten 1953 vor der American Psychological Association von einem neununddreißigjährigen Mann, dem die gesamte rechte Hirnhälfte entfernt werden mußte. Er überlebte diesen schwerwiegenden Eingriff nicht nur, sondern, so schlossen die beiden Vortragenden, „die intellektuellen Fähigkeiten des Mannes waren praktisch nicht beeinträchtigt".
Ebenso frappant - und zusätzlich etwas makaber - sind die Umstände, mit denen ein Leichenbeschauer nach dem Unfalltod eines jungen Mannes kon 136 frontiert wurde. Der Verstorbene war mit einem besonders ausgeprägten Wasserkopf zur Welt gekommen. Um sein Leben zu retten, war ihm als Säugling eine Apparatur zur Ableitung der Überproduktion von Gehirnflüssigkeit in den Schädel eingepflanzt worden. Das Versagen dieser Apparatur, die viele Jahre gute Dienste geleistet hatte, verursachte den Tod des nunmehrigen jungen Erwachsenen. Das stellte der Leichenbeschauer bei seinen Untersuchungen fest. Gleichzeitig registrierte er, daß der Tote nur eine hauchdünne Schicht Gehirnzellen besessen hatte: ein klarer Fall von schwerster geistiger Behinderung. Als der Beamte die Angehörigen über die Todesursache informierte, drückte er sein Beileid aus und fügte als Trost hinzu, der Tod sei für jeden Menschen eine Erlösung, der, so wie der Verstorbene, mehr tot als lebendig dahinvegetiere. Man kann sich die Überraschung und Bestürzung des Leichenbeschauers vorstellen, als ihm die Eltern des Toten erklärten, ihr Sohn habe ein gänzlich normales Leben geführt und bis zum letzten Tag einen hochqualifizierten Beruf ausgeübt. Es kommt noch extremer. Der deutsche Gehirnexperte Hufeland entdeckte bei der Autopsie eines Mannes, der bis zum Eintritt einer Lähmung im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen war, daß der Betreffende überhaupt kein Gehirn besessen hatte. Der Hirnschädel war nur mit dreihundertzwölf Gramm Wasser gefüllt.
Der berühmte Gehirnspezialist Dr. Schleich listete zwanzig Fälle schwerster Verluste von vitalem Hirngewebe ohne jegliche geistige Behinderung der Betreffenden auf. Dazu merkte er an, daß diese Fälle Quelle steter Verwirrung beim medizinischen Personal waren und Stoff für Diskussionen über die alte philosophische Frage vom Sitz der Seele lieferten. Kurzum: das Gehirn - ein unerforschliches Rätsel. Auf der einen Seite ist es so empfindlich, daß es ein einzelnes Photon registrieren kann, dann wiederum arbeitet es in Höchstform, ohne vorhanden zu sein.
Gehirn und Geist existieren getrennt Was läßt sich aus alldem schließen? Schwer zu sagen. Der nackte Materialismus erweist sich jedenfalls als ungenügend. Das Bewußtsein treibt sich als reiner Geist in der Gegend herum oder entfaltet sich selbst dann, wenn es keinen Sitz (Gehirn) im Körper hat. Auch wenn die meisten Neurologen nach wie vor an der Vorstellung festhalten, Bewußtsein sei eine Folge der Anatomie und der Struktur der Großhirnrinde, so müssen sie dennoch zähneknirschend zugeben, daß niemand eine wirkliche Vorstellung davon hat, wie Bewußtsein hervorgebracht wird beziehungsweise wie das Gehirn diesen Prozeß bewerkstelligt, für den es ja verantwortlich sein soll.